Neid

Es gibt zwei Arten Menschen. Die einen kamen als Kind nach Hause, wütend und verheult weil sie geärgert wurden und kriegten von der Mama gesagt “Die sind nur neidisch auf dich.” Die anderen kamen wütend und verheult nach Hause und die Mama hat was anderes gesagt.

Und irgendwann im Verlauf ihres Älterwerdens dachten sich die unattraktiven, unsympathischen und unbegabten Kinder, die immer nur gesagt bekamen, dass die anderen tief im Inneren neidisch seien, anstatt sich zu waschen, freundlicher zu werden und sich mehr anzustrengen müssten sie einfach nur Leute finden, die sie angemessen bewundern anstatt neidisch auf sie zu sein. Während die anderen sich Kritik zu Herzen nahmen und bald zu unterscheiden lernten ob diese durch Neid und Eifersucht inspiriert wurde oder in einem tatsächlichen Mangel begründet lag war das Weltbild der Neidkinder klar: Sie selbst waren wunderbar und der Rest der Welt beneidete sie um ihre Perfektion.

So konnten die einen sich entwickeln und reifen während die anderen stehenblieben. Selbst gut gemeinte Versuche, den Neidkindern auf die Sprünge zu helfen wurden rasch mit der Neidkeule erschlagen, so dass man schließlich einen großen Bogen um diese Personen machte oder sie verspottete – beides natürlich aus Neid in der Wahrnehmung der Neidkinder.

Ironischerweise bemerken die Neidkinder jedoch irgendwann, dass andere erfolgreicher sind, mehr Freunde haben und glückliche Beziehungen führen und beginnen ihrerseits Neid zu entwickeln. Manche gelangen an diesem Punkt zu Erkenntnis und ändern etwas, andere verwenden ihre Energie darauf, den Erfolg und das Ansehen derer zu sabotieren, welchen ihr Neid gilt. Sie schimpfen Exzessiv auf die, die “mehr Glück” hatten im Leben oder schieben die Schuld einer bestimmten Personengruppe zu, welche letztlich dafür verantwortlich ist, dass ihre einzigartigen Talente sich nicht entfalten können… seien es Frauen, die keine “richtigen Männer” wollen, die Gesellschaft, die nur Wert auf Schulabschluss und Aussehen legt, Ausländer, die die Arbeitsplätze klauen oder die Regierung, die Geld an dritte Welt Länder verschenkt.

Und wenn das eigene Kind irgendwann aus der Schule kommt, zornig und verheult werden sie nicht fragen, was passiert ist und ihrem Kind helfen, etwas zu ändern sondern sie werden sagen “Das ging mir früher genauso. Die sind alle neidisch weil wir so toll sind. Mach dir keine Gedanken, die sind sowieso doof.”

[Bis hier geklaut von erzaehlmirnix]

Es mag zwar nicht in ihrem Sinne liegen, aber irgendwie habe ich den Eindruck, dass die (evangelikal-)chritliche Erziehung so ähnlich arbeitet. Dass es solchen Kindern sehr, sehr schwer fällt, zu erkennen, wenn sie eigentlich Arschlöcher sind. Oder ihre Kleidung nicht wirklich irgendwelchen Ansprüchen genügt. Oder sie nicht gewaschen sind. Oder… Und eben nicht alles nur deswegen ist, weil man sich Christ nennt.

Ich nehme mich da nicht aus. Leider ganz und gar nicht.

Alltag

Heißa, wir dürfen leben
In dieser schönen Welt
Gott hat sie uns gegeben
Der alles trägt und hält

Ein christliches Kinderlied, haben wir damals immer gesungen als wir noch in B. in der Mennonitengemeinde waren, von 5 bis 8 also. Es geht mir nicht aus dem Kopf, seit mir am Sonntag beim Blog schreiben dieses „Heißa!“ eingefallen ist.

(Das Mädchen, das sich das Lied am häufigsten gewünscht hat hieß N. und hat mal mit mir zusammen Maria und Josef beim Krippenspiel gespielt)

Ich rolle den Gang entlang, bin schon zu spät, so ist das eben, wenn man 3.5 Minuten für den Toilettengang braucht. Einer, dessen Namen ich nicht weiß, den ich aber schon manchmal mit D. gesehen habe, geht zur Tür, hält sie mir auf. „Richtig cooles T-Shirt hast du da, richtig cool, Royal Bunker ist beste!“ Ich lächle: „Danke, ich weiß“ Hinter mir höre ich ihn noch sagen: „Der hat ein Royal Bunker Shirt, will ich auch… jaaaa, Royal Bunker… wie, kennt ihr nicht?“

Später, nach Literatur, ich stehe vor dem Aufzug, höre ihn hochfahren, drücke aber trotzdem den Knopf. Mit allem hätte ich gerechnet, aber nicht damit, das als die Tür aufgeht C. vor meinen Augen erscheint. Wir lächeln uns an „Hi“ „Hi“, sie gehen raus, ich rolle rein. Die Türe geht zu, nachdenklich sehe ich in den Spiegel.

Was ist nur mit mir los?

I don’t want to miss a thing

In dem kleinen Lebensmittelladen im Hauptbahnhof gibt es doch tatsächlich Prosecco. 1.85€ für 0.2l der billigen Sorte, passt gerade in mein Budget. „Haben sie ihren Ausweis dabei?“ Aaaargh, kaum rasiert man sich mal den Bart ab… Im Rausgehen fällt mein Blick auf ein Schild mit der Aufschrift „0.2l Kaffee – 2€“ Willkommen in der Zivilisation. Aber jetzt mal von vorne…

Um 7.00 aufstehen, Bart ab, und irgendwie ist dann 8.15. Mag daran liegen, dass ich bis 7.20 nicht aufgestanden bin. Aber ich weiß jetzt, was ich in Zukunft nicht mehr tun werde. Mich rasieren, genau :-P Duschen, anziehen, schauen ob es schon was zu essen gibt, dazu runter gehen, enttäuscht wieder hoch gehen, Zähne putzen, sich über die Hose aufregen, sich darüber freuen, ausnahmsweise schon am Vorabend den Eastpak gepackt zu haben. Runtergehen, essen – eine Brezel, heißa!

Später dann, J. hat mir an der Haltestelle in die S-Bahn geholfen, das übliche ungewisse Etwas in meinem Kopf das dort immer ist, wenn M. irgendwo zusteigen soll. „10.50, heißt das für dich“, scheint er jedoch beherzigt zu haben. Die Fahrt nach Mannheim läuft angenehm ab, wir bekommen sogar Lesefutter von einer Zeugin Jehovas auf Predigtdienst. Wie zuvorkommend doch manche Menschen sind.

Und dann stehen wir da zum vereinbarten Zeitpunkt für das C-Walk Meeting auf dem Vorplatz. Und es ist einfach niemand da, bis auf eine kleine Gruppe Punks mit fahrbarer PA-Ausstattung… da werden wir wohl nichts adäquates entgegenzusetzen haben. Der obligatorische JVC ist dieses „nicht adäquate“ dann, den die Freundin von V. an einem Gurt von ihrer Schulter hängen hat, von der Firma selbst liebevoll „Boomblaster“ genannt.  Lange genug hatten wir warten müssen, irgendwann nach 13.30 geht es dann mit der S-Bahn (hatte irgendjemand der 20 Leute eine Fahrkarte? Ich glaube nicht…) los in Richtung Basketball Court. Schöne Anlage, Regendach dabei – und vor allem ein Klettergerüst, dass in den folgenden Stunden eine magische Anziehungskraft entwickeln sollte. Am Klettergerüst sind alle gleich, und alle können und wollen klettern, auch ich. Ich weiß selbst nicht warum ich solche Sprossen so sehr mit „Freiheit“ verbinde.

Kaum Asiaten da, zumindest keine dieser unglaublich eingebildeten Sorte, die die Szene in K. oft so unerträglich asozial machen, dementsprechend ging die Musik eher in Richtung Rap als in Richtung Autotune-RnB. Und, siehe da, alle waren mit der Muisikauswahl zufrieden, niemand hat sich beschwert á la „Ich kann aber auf dieses Lied nicht walken“.

Der Regen ist es, der das alles beendet. „Let it rain, open the flood gates of heaven“, oder so ähnlich. Cool war es trotzdem, auch wenn die drei die es verantsaltet hatten nicht so zufrieden waren. Ich fand es cool und gechillt, das erste Mal dass ich mich wirklich mittendrin gefühlt habe bei so einem Treffen, das erste Mal, dass ich auf dem offiziellen Video vertreten bin (wird noch nachgeliefert, sobald es online ist).

Am Hauptbahnhof dann die Wartezeit auf den Zug nach K. für den schon erwähnten Einkauf genutzt. Ich war ja schließlich eingeladen, und statt eines Geburtstagsgeschenks hatte sich N. „was zu trinken mitbringen“ gewünscht. M. hätte eigentlich mitkommen sollen, konnte dann aber wegen seiner Eltern nicht… whatever. Er hat sich aber trotzdem noch rührend um mich gekümmert, mit mir noch zehn Minuten auf den Zug gewartet, mir hineingeholfen, vor der Abfahrt noch fünf Minuten geredet, „Pass auf dich auf“, was er selten sagt. Er blieb also weiter in K., ich fuhr nach O.

Mit jedem Kilometer der zurückgelegt wurde erhöht sich meine Herzfrequenz. Bumm-bumm-bumm-bumm geht das irgendwann, lesen muss ich aufgeben, ich kann mich absolut nicht mehr konzentrieren. Ich fahre tatsächlich zu N., meine Ex-Freundin, die ich vor einem Dreivierteljahr das letzte Mal gesehen habe, bei der ich eine Nacht verbringen müssen werde, in einem Zimmer mit ihr, weil die Wohnung so klein ist. Bei Z. angekommen rufe ich N. an, wie ausgemacht, sie geht nicht ran, verdammt, warum geht sie nicht ran? Nach drei Minuten erreiche ich sie doch noch „Ja, kein Problem, wir warten da schon“. Was? Wir? Wer ist wir? Irgendwelche Leute die mich nicht kennen? Fuck…

Wer dann wartet ist aber nur N. zusammen mit S., ihrem Bruder, mit dem ich mich immer sehr gut verstanden habe. Er hat ganz frisch den Führerschein, wir müssen natürlich eine Ehrenrundedurch den Ort drehen, mit Sido und seiner Maske aus den Lautsprechern des Twingos seiner Mutter. Ich merke wie verspannt ich bin, atme ruhig ein und aus, es hilft.

Sie raucht wieder. Und irgendwie finde ich das sexy. Argh. Und sie hat abgenommen (nein, soll nicht heißen dass sie jetzt schlank ist, aber es fällt auf). Und sie ist irgendwie anders. Anders ist auch L, ihre kleine schwarze Katze. Immer noch Unsinn im Kopf, aber fauler geworden. Als ich sie das letzte Mal gesehen habe war sie fast noch ein Baby.

Die Party wird… seltsam. Aber cool. Ein Pärchen aus einem weiteren Ex (gleichzeitig der beste Freund ihres Bruders) und seiner derzeitigen Freundin, die irgendwie offiziell eine Beziehungspause haben sollen, von der man aber mit steigendem Alkoholpegel irgendwie immer weniger gemerkt hat. Ein Mädchen, mit der S. irgendwas zu haben scheint, auf jeden Fall sieht es schon sehr danach aus. Und ich und N., beide ohne Partner. Die zwei Jungs haben den festen Vorsatz sich zu betrinken, ich den festen Vorsatz es nicht zu tun, N. wohl eher auch nicht, die beiden anderen Mädchen kann ich nicht einschätzen, ich kenne sie nicht.

Irgendwie bin ich jetzt auf jeden Fall wieder der Bro von S., er ist erleichtert mich wieder gesehen zu haben. „Du bist der beste den sie je hatte, das sagen alle“. Er hatte nicht gewusst, ob wir uns trotz der Sache mit seiner Schwester noch sehen können, jetzt weiß er es.

Irgendwann verziehen sich die beiden Pärchen nach oben, in seine Wohnung, N. und ich sind  alleine. Eigentlich war geplant dass ich auf der Couch schlafe. Aber ihre zweite Decke hat jemand beim kotzen versaut, sie hat also nur noch eine. So kommt es dann, dass ich mit ihr eine Decke und ein Bett teilen muss. Am Anfang beide ziemlich steif, dann lockerer, reden über all das, was wir vom anderen verpasst haben. Mehr als ein bisschen kuscheln läuft nicht, schön so.

Ich will sie nicht mehr. Sie mich wohl auch nicht. Nur: in der „normalen“ Welt hat im betrunkenen (angetrunkenen, okay) Zustand „nicht wollen“ nicht viel mit „nicht f****n“ zu tun, vor allem wenn ein Abend aus zwei knutschenden Pärchen, einem Jungen und einem Mädchen besteht… ich bin froh, nicht über die Maßen gtrunken zu haben.

Auf die Idee, Alkoholgeschmack im Mund mit Tabakgeschmack zu überdecken, muss man auch erst einmal kommen. Hilft aber.

War geil.

[Neuer Header und neues „Motto“.]